Wenn Collaps ein Mensch wäre, stell ich mir immer gerne folgendes Vorstell-Szenario vor: Man bringt den neuen, in aggressives Rot gekleideten Freund zu ‘ner Party mit und stellt ihn vor mit: „Hallo zusammen. Das ist Collaps. Und der haut euch jetzt auf’s Maul.“ Und genau das tut er dann auch. Aber mal auf Anfang: Collaps ist das jüngste Punkprojekt von Frontmann Valle und anderen „Veteranen der deutschen Szene“ (danke Coretex Records für diese schöne Zusammenfassung) und die Band gibt es seit nicht mal ganz 2 Jahren. In dieser Zeit haben sie neben einer beachtlich starken Demo-Scheibe nun auch ihr erstes Album „Executor“ rausgebracht. Und damit mal so ganz nebenbei – und hier bediene ich mich schamlos bei den Worten eines guten Freundes – die größte musikalische Kratzbürste des Jahres releast. Um es also mit den Worten von Homer J. Simpson zu halten: „Schnall dich an, bei Max Power wird nicht gekuschelt!“

Nach dem überraschend ruhigen und harmonischen Intro, fallen die 3 mit „Boots Go Marching In“ direkt mit der Tür ins Haus. Oder besser: Sie treten sie auf, saufen dir den Kühlschrank leer und stellen keine Fragen. Soundtechnisch pflügt hier ein dermaßen roher, harter und aggressiver Orkan durch die Boxen, dass man sich beim ersten Hören erst wieder sammelt, wenn die Platte zu Ende ist. Und das, obwohl die einzelnen Songs nie die 3-Minuten-Marke knacken.  Nach „We Made You“, „Doesn’t Make Sense“ und „I’m Back“ kommt mit “Nowitschok Exposure” der nächste Übersong. Ein Song, der mindestens so giftig ist, wie das darin thematisierte Nervengift.

„You are just a poseur piece of shit. No heart, no soul, no pride – you got no grit!”

Es ist echt krass, wie wahnsinnig hart Mitgröhlhymnen sein können. Wer’s nicht glaubt, bekommt dann bei „Ultra Violence“ den nächsten Beweis in die Nieren gehauen. Das ist Mugge, die einem keine Pause gönnt, sondern einen vorantreibt wie einen Schlittenhund. Pure, rohe Energie wird hier gepaart mit erschreckend ohrwurmverdächtigem Hitpotenzial. Wer da keinen Durst kriegt, hat Punkrock nie geliebt. „Poseur“ und „Caught In A Trap“ sind da nur 2 weitere Beispiele auf einer Platte, auf der wirklich jeder einzelne Song ein Anspieltipp ist.

Völlig irre wird’s dann aber, wenn man sich das Klangbild mal zu Gemüte führt: schnell, hart, aggressiv und dreckig geil werden die Songs runtergerissen. Und trotzdem sind die Songs ultra abwechslungsreich. Da ist dann hier mal ein kleiner Rock’n’Roll Einschlag zu hören, da mal was, was nach fettestem 80er-Jahre Hardcore klingt und an wieder anderer Stelle ein so gut platzierter Break, dass es schon fast gruselig wird. Hier waren wirklich Fachmänner am Werk, die genau wissen, was sie tun. Das ist pure Energie, vertont in 13 Songs. Definitiv keine Musik für die Goldene Hochzeit von Oma & Opa (Da würde es vermutlich die Schrittmacher entschärfen), sondern zum Dampfablassen par excellence. Hatte ich Anfangs Kratzbürste geschrieben? Wohl eher Drahtbürste! Man darf nicht vergessen, dass hier Vollblutprofis mit voller Absicht einen Sound kreieren, der gewollt so klingt, als wäre er irgendwo zwischen Demo-Tape und Wutanfall gefangen. Absolut geiler Scheiß!

Neben dem Stahlzähne-Biss des Sounds darf man beim „Executor“ allerdings auch gerne näher hinschauen und -hören. Führt man sich die Lyrics zu Gemüte, kann man mitunter ordentlich positive Beklemmung kriegen. Als Beispiel möchte ich hier gern “We Made You” anführen, einen Working-Class-Song, komplett abseits aller mitunter arg romantisierten Skinhead-Klischees. Auch der titelgebende Track spuckt Gift und Galle, ohne sich auch nur ein Mal des ausgelutschten „1312“-Gegröles zu bedienen. Generell spricht die Band in ihren Texte schon Szene-Themen an, allerdings auf eine unschöne und authentische Art und Weise. Collaps ist kein Kumpel für Kinderparties!

„We’re hammering, we fix and drill. We cook, we serve, we gut and kill. We do the jobs that you won’t do. We do the work; you take the fruits.”

Collaps ist Musik, wie ich sie bisher selten bis gar nicht gehört habe. Gerne würde ich hier irgendwelche Vergleiche anführen, muss mir an diesem Punkt aber meine eigene Beschränktheit eingestehen. Keine Ahnung, mit welcher anderen Band man sowas Geiles vergleichen will. Aber irgendwie auch gut so, denn in Zeiten, in denen selbst viele Punkbands immer mehr im Einheitsbrei des Musikdurchfalls untergehen und nicht herausstechen, ist „Executor“ ein gewaltiges Ausrufezeichen mit mehr Wiedererkennungswert als die Larve von Nicolas Cage.

Wenn ihr also das nächste Mal auf eine Party eingeladen werdet, tut euch selbst einen Gefallen: Nehmt euren neuen Freund Collaps mit und bringt mal ein bisschen aggressiven Schwung in die Bude!

Ben