Nach Touren durch Australien, die Vereinigten Staaten und Mexiko waren Tiger Army mit ihrem neuen Album “V •••–” für 17 Shows zurück in Deutschland. Bei einem exklusiven Backstage-Interview in Erfurt konnten Lisa und Paul von Leadsinger Nick 13 erfahren, was Tiger Army mit der Loveparade in Berlin zu tun hat, wie Operngesänge und Rock’n’Roll zusammenpassen und welche Musik die Band seit nun mehr 20 Jahren beeinflusst.

Special thanks to Jason!

Songauswahl im Interview:

Min 00:00 Prelude – Call of the Ghost Tigers
Min 00:50 Happier Times
Min 05:38 Train to Eternity
Min 09:34 Firefall
Min 12:22 Prelude – Signal Return

Interview zum Nachlesen auf Deutsch

Lisa: Wir sitzen hier mit Nick13 von Tiger Army aus Kalifornien/USA. Er und seine Band sind gerade erst aus Prag angekommen, wo sie gestern Abend gespielt haben. Nick, für ein paar Wochen seid ihr jetzt schon auf Europa-Tour. Ihr habt mega viele Shows in Deutschland gespielt, seid Support für die Broilers bei einigen Konzerten, so wie auch heute Abend in Erfurt. Ich stelle mir das schon sehr stressig vor, für so eine lange Zeit auf Tour zu sein…

Nick 13: Es ist immer ein Unterschied, ob man zu Hause spielt oder im Ausland auf Tour ist, denn man fliegt, hat ein Jetlag, muss sich das Equipment leihen. Es ist halt nicht ganz so einfach wie daheim. Aber es macht echt viel Spaß. Wir haben einige Shows mit den Broilers hier in Deutschland gespielt und es war schon etwas ungewöhnlich, da die Konzerte natürlich sehr groß sind. Wir haben auch eigene Shows in kleineren Punkclubs gespielt. Es ist schon ein großer Unterschied mit den Broilers in Arenen und dann unsere kleinen Shows zu spielen – aber es macht echt Spaß!

Lisa: Was für mich echt spannend ist, ist die Herkunft eures Namens. Wenn das stimmt, was ich gehört habe, kommt euer Name nämlich aus Deutschland. Um genauer zu sein, von der Love Parade….

Nick 13: Ich dachte über den Namen bei meinem ersten Trip nach Deutschland nach, noch bevor wir mit der Band angefangen hatten. Ich lief nachts alleine durch die Straßen Berlins und sah dort so ’ne komische Art von Zirkus, der mich an Tiger erinnerte… Bei der Love Parade war ich ein paar Tage zuvor und ich fand es schrecklich. Dann kam mir der Gedanke: „Was wäre, wenn eine Armee von Tigern darüber herfallen würde?“. Denn irgendwie waren die meisten Leute dort furchtbar. Doch „Army of Tigers“ klang nicht so gut, daher dann „Tiger Army“. Ich versuchte einen Bandnamen zu finden, wusste, dass ich mit der Band sobald ich zurück bin, starten wollte und wurde sehr von der Psychobilly-Szene damals in Berlin inspiriert. Daneben wurde unsere Musik auch vom Rock’n’Roll der 50er/60er, von Punk, Gothic, teilweise sogar Hardcore geprägt – es war immer eine Mischung aus verschiedenen Stilen. Aber ich wusste genau, dass ich, sobald ich zurück bin, mit der Band starten möchte….und ja, auf den Namen bin ich in Deutschland gekommen.

Paul: Ich würde gerne mit dir über den Sampler sprechen, auf dem ihr mit Tiger Army euren ersten Song veröffentlicht hat. Der hieß Punk Fiction?

Nick 13: Ich versuche mich gerade an die Reihenfolge zu erinnern. Der kam vielleicht vor unserer ersten 7-inch, vielleicht aber auch danach. Aber es war definitiv eine der ersten Veröffentlichungen, auf denen wir einen Song hatten.

Paul: Was meinst du, wie hat sich euer Sound von eurer ersten 7-inch bis heute verändert?

Nick 13: Das ist ganz witzig… Für mich sind viele unserer Einflüsse gleich geblieben, aber unsere Fähigkeit, diese Einflüsse überhaupt zu spielen, hat zugenommen. Roy Orbison war immer eine große Inspiration für mich, neben Sachen wie Punk, Rockabilly und Psychobilly natürlich. Doch als wir unsere erste 7-inch produziert hatten, haben wir noch gar nicht das musikalische Können gehabt, um Sachen zu spielen, die direkt von Roy Orbison beeinflusst sind. Was ich an Psychobilly so mochte, war, dass es musikalisch abenteuerlich war – das war immer wichtig für mich. Manchmal hörst du Leute sagen: „das ist nicht Psychobilly, das ist auch nicht Psychobilly, das auch nicht“. Es ist aber auch nicht das, woran die Leute, die in den 50ern Rock’n’Roll machten, gedacht haben und auch nicht das, was die ersten Punkbands in den 70ern und die ersten Psychobillybands in den 80ern im Kopf hatten. Ja, ich mochte einfach, dass es abenteuerlich ist. Zu unseren wichtigsten Einflüssen gehören Punk aus den 70ern, Rock’n’Roll aus den 50ern, Darkwave aus den 80ern. Das sind alles Sachen, die immer da waren und auch noch auf unseren neuem Album zu finden sind, nur in einem anderen Verhältnis.

Lisa: Du hast eben schon erwähnt, dass Psychobilly eher ein europäisches Phänomen war. Doch eure allererste Show war in dem bekannten Club „Gilman“. Wie haben die Leute damals auf euch in Amerika reagiert?

Nick 13: Die Leute in der Bay-Area (Metropolregion im nördlichen Teil des US-Bundesstaates Kalifornien) wussten nicht so richtig, was sie mit unserer Musik anfangen sollten. Wir hatten einen Kontrabass, waren offensichtlich von Punk inspiriert, aber waren trotzdem anders. Ich fand, dass, als wir zum ersten Mal in Südkalifornien spielten, die Reaktion ganz anders war, was an der Geschichte der Punkszene in Südkalifornien liegt. Dort hatte man The Blasters, die sich eine Bühne mit den ganzen frühen Punkbands teilten wie mit The Germs oder X, bei denen ein deutlicher Rockabilly-Einfluss an der Gitarre zu hören war. Die Leute in der Bay waren etwas verwundert über uns, doch als wir dann in Südkalifornien gespielt hatten, haben die Leute sofort verstanden, dass 50er Rock’n’Roll, Rockabilly und 70er/80er Punk alle Teil des gleichen Kontinuums sind und haben unsere Musik wirklich begeistert angenommen. Es dauerte eine Weile, sich in den anderen Teilen des Landes zu verbreiten und bis die Leute verstanden haben, wo wir herkommen. Doch es passierte schlussendlich.

Paul: Du bist Sänger, Gitarrist und Songwriter von Tiger Army und deiner Soloarbeit. Ich würde gern wissen, ob es wahr ist, dass du ein paar Gesangspuren für AFI, beispielsweise beim Song „A Single Second“, beigesteuert hast?

Nick 13: Von mir stammt die Gesangsmelodie, den Text habe ich jedoch nicht geschrieben. Wir (Ich und AFI) haben zusammen gesessen und ein Demo des Songs angehört. Beim Refrain ist mir dann die Gesangsmelodie eingefallen und ich habe es zum Demo gesungen. AFI mochten meine Idee, schrieben einen passenden Text und baten mich, dies auf dem Album (Shut Your Mouth And Open Your Eyes) einzusingen. Im Studio haben wir auch weiteren Backroundgesang aufgenommen – eine Gruppe von Freunden, die singen konnte. Man hatte Ideen, manche wurden realisiert, manche nicht. Also kann ich sagen, ja es stimmt, die Gesangsmelodie ist von mir.

Paul: Nun würden wir gern über euer neues Album sprechen. Kannst du uns etwas über den Titel verraten? Wir wissen, dass es sich um einen Morse-Code handelt, steht dieser nur für „5“ oder steckt da mehr dahinter?

Nick 13: Es ist schon doppeldeutig. Das „V“ steht für die römische Zahl „5“ und der Morse-Code steht für „Victory“ („Sieger/Sieg“). Das hat mit den Bedingungen zu tun unter denen das Album entstanden ist, wie etwa das Album aufzunehmen, es fertig zu stellen oder nach einer langen Zeit als Band zurückzukommen.

Paul: Das Album ist nicht mehr über Hellcat (amerikanisches Punklabel von Tim Armstrong von Rancid) veröffentlicht. Warum?

Nick 13: Soweit ich weiß ist Hellcat zur Zeit kein aktives Label, der Hauptarbeitgeber, der uns bei vielen Dingen eine große Hilfe war, ist nicht mehr dabei. Ich glaube sie haben im letzten Jahr vielleicht ein Album herausgebracht, aber da liegen auch Jahre ohne Veröffentlichung dazwischen. Wir hatten einfach das Gefühl, dass ein Tapetenwechsel sinnvoll wäre. Wir haben ein Label gesucht, bei dem die Leute begeistert von dem sind, was wir tun und bei Rise Records fühlen wir uns bisher sehr gut aufgehoben.

Lisa: Kannst du uns ein bisschen mehr über Rise Records berichten?

Nick 13: Es ist an und für sich ein Punk Label. Der Besitzer war zur gleichen Zeit Teil der Bay-Area Szene wie ich. Damals hatte ich keinen Kontakt zu ihm, aber wir hatten gemeinsame Bekannte und waren auf den gleichen Konzerten. Auf dem Label sind neuere und ältere Punkbands. Sie haben gerade ein Album von T.S.O.L. veröffentlicht, die eine meiner liebsten Punkbands ist. Sie ist eine der ersten Bands die Death Rock, Goth und Punk vermischte. Rise hat außerdem Alben für Hot Water Music und viele anderen Bands gemacht, die ich gut finde.

Lisa: Beim ersten Hören des Albums ist uns sofort die Opernstimme im Hintergrund aufgefallen…

Nick 13: Bei der Arbeit am Album war ich von der zweiten Welle des Rock´n`Roll am Ende der 1950er, Anfang der 1960er inspiriert. Was mich so daran gereizt hat war, dass die erste Welle des Rock´n`Roll vorbei war und die Menschen sich gefragt haben, was jetzt kommen könnte in der Evolution der Musik. Diesem Gefühl fühlte ich mich verbunden. Diesen opernhaften Gesang hat man in dieser Ära des Rock’n’Roll beispielsweise auf Roy Orbison Alben gehört. Es gab einen englischen Produzenten Anfang der 60er, Joe Meek, der viele Künstler und Hits produziert hat, manches war instrumental. Von ihm sind die ersten Screaming Lord Sutch Alben. Er war eine Art verrücktes Genie, der ein tragisches Ende fand. Aber er hat ein paar sehr experimentelle Alben gemacht, welche einen großen Einfluss hatte auf die erste Welle des Britischen Punk in den 70ern, die Meteors und frühen Psychobilly und jeden, der seltsame Musik in England zu dieser Zeit machte, hatte. Genau dieser Joe Meek hat opernhafte Frauengesänge verwendet. Ich denke, dass es im heutigen Rock´n`Roll geläufiger ist, R&B-beeinflusste Frauenstimmen zu hören, wie etwa bei den Rolling Stones. Es hat mich einfach gewundert, warum niemand mehr diesen opernhaften Stil verfolgt, der sich doch sehr unterscheidet. Die Sängerin Savitri Labensart kannte ich von Konzerten in Los Angeles und ich fand großen Gefallen an ihrer Stimme. Es war perfekt und genau das, was ich auf meinem Album wollte.

Nick 13: Ich würde gern jedem danken, der zu unseren Konzerten kommt und vor allem den neuen Leuten, welche uns bei den Broilers Shows eine Chance gegeben haben. Es scheint, als würden sich viele neue Leute für Tiger Army interessieren. Es ist sehr nett von den Broilers uns mit auf Tour zu nehmen und wir hoffen bald zurückzukommen und für euch zu spielen. Auf unserer Website gibt es eine E-Mail Liste, die euch über unsere nächste Europatour informiert. Wir hatten eine großartige Zeit diesen Monat, also hoffe ich, dass wir bald wiederkommen können.