Kennt eigentlich noch jemand die „Animaniacs“? Diese 90er-Jahre Kinderzeichentrickserie mit der schönen Kategorie „Gute Idee / Schlechte Idee“. Hier ein Beispiel:

Gute Idee – eine Releaseparty für ein enorm gelungenes Album in voller Besetzung feiern.
Schlechte Idee – sich gefühlt 2 Tage vor Releaseparty vom Sänger der Band trennen.

Unterdurchschnittliche Witze und Vergleiche zu Kinderserien mal beiseite gestellt, so wunderte man sich als Ottonormalmusiknerd allerdings doch ein wenig über die Geschichte in Verbindung mit dem Debuts der „Red Bricks“ aus Hamburg. Aber – und das sollte man sich in Zeiten, in denen Internetkommentare schneller geschossen werden als Colts zur Mittagszeit, deutlich vor Augen führen – es ist eine Sache in welcher man der Band einfach vertrauen sollte. So einen Schritt geht man ja nicht aus Jux. Warum ich an dieser Stelle aber trotzdem meinen Senf dazu gebe, ist einfach: denn das Debutalbum „Built Over Time“ ist ein wirklich abartig grandioses Stück Oi!-Punk geworden, welches man aber in der Konstellation, wie auf der Platte zu hören ist, nun nicht mehr sehen wird, was schade ist.

„Forgotten heroes of the working class – leaving our rage in a dirty glass”

Ansonsten ist das mit Debuts ja immer so eine Sache. Manchmal sind sie erschreckend gut, manchmal grottig und beide Szenarien können sich dann im Laufe der Zeit noch ins Gegenteil ändern. Bei den Jungs aus Hamburg kann man eigentlich nur hoffen, dass der seltene Fall eintritt, bei welchem das Debut maßgebend für die Zukunft der Band ist. Denn wie bereits erwähnt, ist „Built Over Time“ eine richtig, richtig fette Hausnummer.

Man möge mich nicht falsch verstehen, die Hamburger erfinden das Rad hier keinesfalls neu, noch ist es ein Album das den Oi! nochmal völlig neu definiert. Stattdessen bekommt der geneigte Hörer ein Album zu hören, welches alle Stärken einer Musikrichtung auf Platte zusammenpfercht, mit reichlich Bier und anderen Spaßmachern tränkt und mit ordentlich korrekter Haltung in die Nacht parolt.
Letzteres ist wohl auch sogleich das auffälligste Feature. Die Red Bricks sind so klar und kantig in ihrer Einstellung, dass man es wohl getrost auch mit den eigenen Worten „S.H.A.R.P. as a fucking knife“ („Roots“) zitieren kann. Rassisten und andere Arschlöcher werden bei dieser Musik keinen Spaß haben. Und das muss auch so.
Musikalisch gibt es rotzigen, extrem (!) eingängigen Oi! / Streetpunk mit einprägsamen Melodien und einer Menge, wirklich mitreißender Gangshouts. Da kann es schon passieren, dass einem beim Hören Erinnerungen an Bands wie Perkele, Cock Sparrer, Rude Pride oder Cockney Rejects in den Sinn schießen. Und als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, galt das noch als  ziemlich gute Gesellschaft für eine Platte. Themenmäßig bewegt sich das Ganze zwischen politischen Statements (wie z.B. beim viehisch guten „No One is Illegal“), Working Class („Forgotten Heroes“), Fußball („From Father to Son“), Skinhead-Kultur („Roots“) und der guten alten Trinkerei („Towards the Pub“). Wie gesagt: keine neuen Erfindungen, aber mit so dermaßen viel Hingabe und Freude präsentiert, dass die Songs hartnäckiger im Ohr bleiben als ein nasses Ohrenstäbchen. Dabei muss man aber auch beachten, dass die besten Gangshouts nur so viel wert sind, wie die dazugehörigen Texte. Und auch hier weiß „Built Over Time“ zu punkten und beweist, dass manche Dinge am besten schnörkellos und geradeaus sein müssen. Manchmal hält man die Dinge halt am besten so einfach wie möglich, um sie noch besser zu machen. Und „einfach“ ist hier gemeint, wie im Sinne von: “Krach mal ‘ne Hülse auf, stell Mugge an und lass für ein paar Stunden die Kackzeiten vergessen!“

„Our weapon against the war – solidarity around the world! Cause me and you – we are equal – no one is illegal, no one is illegal!”

Wenn man jedoch unbedingt eine unverbesserliche „negative Nancy“ sein will, so seien auch zwei kleine Kritikpunkte erlaubt: zum einen klingt „Built Over Time“ manchmal sehr martialisch. Insbesondere „Blood Pact“ ist so ein Song, der für mich persönlich an der Grenze zum Stumpfsein liegt, was dieses starke Album gar nicht nötig hat. Zum anderen ist es wie so oft in der Oi!-Punkszene: als Vater einer kleinen Rebellin würde ich echt gerne mal einen Song über starke Töchter hören (keine Ahnung…könnte man ja “Our Daughters“ nennen und einen Oscar für Kreativität einheimsen). Aber das ist echt Jammern auf hohem Niveau.

Das Debutalbum der Red Bricks ist ein absolutes Brett geworden. Man kann den Hamburgern nur von Herzen wünschen, dass sie einen neuen Sänger finden und dann die Lorbeeren ernten können, die sie meiner bescheidenen Meinung nach mit „Built Over Time“ gesät haben. Eine mehr als grundsolide Platte für eigentlich jeden Anlass zwischen Abschlussfeier, Saufabend und Hochzeit.

Ben