Zunächst einmal etwas, das uns alle in einen gewissen Grundzorn bringt:

Liebe Hippster,
hört verflucht nochmal auf eure mittelprächtige Kackmusik übertrieben oft auf Vinyl zu pressen! So müssen nämlich andere Menschen – wie ich z.B. – auf die Pressungen und den Versand wertvoller Nischenmusik für Bekloppte viiiiieeeeel zu lange warten, weil die Presswerke nicht nachkommen. Danke.

Und da wir das jetzt aus dem Weg geräumt haben und eh einmal beim Thema wertvolle Nischenmusik für Bekloppte sind: obwohl schon seit August letzten Jahres releast, habe ich letzte Woche erst (ENDLICH) die „Unholy Hymns“ von den Bridge City Sinners erhalten. Und die Scheibe ist jetzt schon einer der Hauptbewerber für „Album des Jahres 2022“. Kann ich nicht behaupten, weil 2021 Release war? Klappe zu! Kann ich. Mach ich auch.

Denn nach nunmehr schlappen 25 bis 26 Jahren ernsthafter Musikabhängigkeit, ist es zunehmend schwerer, etwas zu finden, das man wirklich noch nie gehört hat. The Bridge City Sinners aber sind genau so eine Band. Irgendwie zwischen Bluegrass, Punk & Black Metal zelebrieren die Sinners Musik, die direkt aus den Ohren von H.P.Lovecraft stammen könnte (zusammenhangsloser Horror-Popkultur-Seitenhieb: Check!). Und „Unholy Hymns“ könnte nach meiner – selbstverständlich völlig subjektiven und niemals falschen – Einschätzung als Meisterwerk bezeichnet werden.

An erster Stelle steht dabei ganz klar Libby Lux: die Sängerin singt wie ein Engel und keift wie ein Dämon. Absoluter Hammer. Mit „Song of the Siren“ war ich damals zum ersten Mal auf die Band gestoßen (Danke Atze!) und dieser Stil ist irgendwie unnachahmlich. Will man diesen unfassbar geilen Kontrast verstehen, sollte man sich dringend „The Fear“ anhören, denn dieser Song ist die perfekte Vertonung dieses Sounds.
Ein solcher Stil wäre allerdings nur halb so passend, wenn die Lyrics dabei pupsende Einhörner und Schmetterlinge besingen würden. Und hier kommen wir direkt zu Punkt 2: den Texten. Thematisch wird hierbei alles aufgegriffen, was düster, okkult und wunderbar ist. „The Devil’s Swing“ beispielsweise besingt die schöne alte Tradition mit dem bzw. für den Gehörnten zu tanzen. In „Departed“ wird fröhlich und zuckersüß die eigene Beerdigung geplant. Der phänomenale Zweiteiler „The Legend of Olog-Hai“ besingt einen stinkenden, äußerst mies gelaunten und menschenfressenden Troll. Und zum eigentlichen, musikalischen Hauptargument der Platte komme ich erst noch. Denn abseits von den erwähnten Songs bleibt es auch beim Rest der Lieder angenehm böse und irre.

Begleitet wird dieses Potpourri an Kindergeburtstagsthemen dann von der Musik. Hier gibt es gefühlt alles, was die Welt der Streicher zu bieten hat. Besonders Banjo, Kontrabass, Dobro und Violine stechen heraus. Insbesondere die Geige kreiert fiese Kontraste zu Libby’s Gesang und untermalt die Geschichten, die die Sinners erzählen mit dem nötigen Wahnsinn. Absolut unvergleichlich geiler Scheiß.
Insgesamt entsteht so ein musikalisches Bild von Mugge, die wie ein Irrer immer am Rand des völligen Wahnsinns entlang taumelt und dabei zwischen Mordlust, Depressionen und Kichern fröhlich wechselt. Klingt gut? Ist es, vertraut mir!

Zum Schluss nun noch der bereits angemerkte Höhepunkt: „Unholy Hymns“. Kein Song der Platte, fast das oben Geschriebene so gut zusammen wie der Titeltrack.

„Here we are, the end of the line. The world is on fire, but I‘m feeling fine.”

Schon nach den ersten Zeilen verkörpert diese Hymne die Sinners nahezu perfekt. Etwa ab der Hälfte wird das Ganze dann zu einer so dermaßen epischen Nummer aufgebaut, dass die Ohren quasi darum betteln, durch Lautstärke beschädigt zu werden und die Finger vom Mittrommeln blau werden. Hier erlebt der geneigte Hörer ein völlig spektakelndes Zusammenkommen von Streichern, Stimme und Text zu einem absoluten Hörerlebnis. Und das völlig ohne unnötige Entschuldigungen:

„I’ll be fine, don’t pray for my sins! I’m going down, singing unholy hymns!“

Wenn dieser Song endet, könnte an manchen Tagen auch die Welt enden und es erschiene völlig akzeptabel. Findet ihr übertrieben? Könnt ihr machen. „Unholy Hymns“ müsst ihr euch trotzdem reinziehen – erst Recht wenn wir nicht wissen, wie lange die Presswerke für das nächste Album des Jahres brauchen werden.

Ben