2018 war ein gutes Jahr. Nicht nur privat, sondern vor allem auch in musikalischer Hinsicht blieben eigentlich keine Wünsche wissentlich offen. Fantastische Livekonzerte (man nehme hier nur das „Riot & Passion“), unglaubliche Neuentdeckungen (Johnny Wolga) und emotional wichtige Wiedersehen (Coppelius) inklusive. Nur das mit den Releases hat das Jahr irgendwie verschlafen. Entweder waren die richtig richtig guten Teile schon ein paar Jahre alt oder den Neuerscheinungen fehlte immer irgendwie so das gewisse Etwas. Genau jenes welches, dass in der Regel den Unterschied zwischen „Richtig geil!“ und „Ich scheiß‘ mir in die Hose! Ist das fett!“ ausmacht.

Auch das neue Album des US-Punk-Legenden „The Casualties“ stand zunächst unter keinem guten Stern. Ursprungsfrontsau und Gründer Jorge Herrera schmiss hin. Übernehmen sollte ein neuer, junger Schreihals. Da man ja allem eine Chance geben sollte, wurde relativ spät, wie ich gestehen muss, die Scheibe also schlussendlich doch Probe gehört. Und oh Boy – ich scheiß‘ mir in die Hose!

Zunächst das Wichtigste: Die wunderschöne Räude von Herrera’s Gekrächze und Geschreie ist definitiv weg. Ist aber nicht so schlimm. Mit „Written in Blood“ präsentieren die Casualties einen überraschenden Neuanfang, dem man ohne Weiteres zutrauen kann, die Fahne weiter hochzuhalten. Neuschreihals David Rodriguez keift und flucht wie ein wilder Terrier und versprüht dabei eine Energie, die einen mal wieder so richtig an den Eiern packt! Heute schon nen bisschen Randale gemacht? Allein der fette Opener „1312“, der definitiv nicht für „All Cats Are Beautiful“ verstanden werden soll, haut einem pure Energie durch die Ohren, direkt in die Venen!

Dabei klingt die ganze Scheibe jedoch nicht nur gewohnt rotzig und aggressiv, sondern überrascht streckenweise mit ziemlich coolen, melodiösen Parts wie beispielsweise zu Beginn von „So Much Hate“ oder auch bei „Ashes Of My Enemies“. Auch textlich ist die Scheibe eine dicke Mischung aus In-die-Fresse-Punkrock, politischen Statements à la:

„Fuck your border and fuck your wall!
Fuck your president and fuck you all!“

… und auch emotionalen Einschlägen, wie bspw. in „Lost“: „… lost but not forgotten, your memory will carry on!“). Und wenn’s das nicht ist, dann schleudern die Amis einem mit Songs wie „Ya Basta!“ einfach einen trommelfellwühlenden Ohrwurm vor den Nischel!

Ich würde mir nicht anmaßen wollen, genau zu sagen, ob es an diesen Dingen liegt, aber irgendwie wirkt die CD, als hätte die Band eine ordentliche Verjüngungskur bekommen. Und das funktioniert echt gut.

Ein Kumpel von mir hat mal gesagt: „Die Casualties sind die AC/DC des Punkrock! Jedes Album klingt wie das davor aber geil!“ Genau das funktioniert bei „Written in Blood“ hervorragend! Ich glaube, das wirklich Gute ist das niemand versucht hat, Herera zu kopieren und dabei das Rad neu zu erfinden. Die Scheibe ist zu 101 % purer Punkrock so, wie er klingen muss und zu mindestens 102 % Casualties – nur halt mit ein bisschen mehr Facetten, als ich das bisher raus gehört habe. Und auch wenn ich gefühlt eine halbe Ewigkeit gebraucht habe, um zu entscheiden, dass die Scheibe wirklich SO gut ist, macht „Written in Blood“ jetzt schon derbst Bock auf Live-Geschubse! Wer weiß, vielleicht kriege ich dann ja sogar Mr. Rodriguez vor das Mikrofon …