Gastbeitrag unseres Hörers „Schnidde“

 
Es war der Sommer 2006, das Sommermärchen- die Weltmeisterschaft hier bei uns in Deutschland. Das Wetter ist super, die Stimmung ausgelassen…Überall im Park riecht es nach Gegrilltem, an manchen Ecken steigt ein süßlich aromatischer Duft in die Luft… „Mach‘ mal ein Lied weiter“ rief mir ein Freund zu – und schon schallte es aus dem Boxen: „Wie gern würd ich die Welt verändern, glauben Sie mir! Doch leider hab ich heute keine Zeit!“ Alter Latz – der Mann sprach meinem damaligen Schüler – Ich direkt aus der Seele! Wie berauscht wollte ich mehr davon hören… Doch wer war das? Wer spielt eine solche Kombination aus rhythmischem Ska-Punk und ironischen Texten, die die gute Laune in einem hervorzaubert? „Die hast du bestimmt auch schon mal gehört, das ist Sondaschule!“ – Da war sie, meine erste „Begegnung“ mit Sondaschule.

Zugegeben, den Namen, Sondaschule, hatte ich gewiss schon das eine oder andere Mal gehört, aber immer nur mit grauenvollem „Dauersuff-Punkrock“ assoziiert. Ich wurde eines Besseren belehrt.

Auf die früheren Songs über das gekonnte Nichts-Tun oder dem wahren Sinn des Lebens folgten Texte, die völlig überspitzt den Punkflair darstellten. Aber auch gesellschaftskritische Texte die zum Teil auch an dem politischen Bewusstsein kratzen. Alles mit einer gehörigen Portion Sarkasmus und Selbstironie. Meinen persönlichen Meilenstein in der fast 19jährigen Bandgeschichte lieferten die Jungs um Sänger Costa Cannabis mit ihrem bis dato sechstes Album „Schön Kaputt“ ab. Ich weiß nicht, wie oft ich diese Scheibe hoch und runter gehört habe, aber eines kann ich versprechen: die musikalische und textliche Entwicklung der Band hatte ein neues Niveau erreicht. Mit feinstem Ska-Punk werden Songs über die Freundschaft, Liebe und der Frage nach Beständigkeit zum Besten gegeben. Mein musikalisches Highlight auf dem Album ist die melancholische Ballade über die Liebe zur Heimatstadt, den gesellschaftlichen Wandel und den Idealismus der heutigen Gesellschaft: Mit „Es stinkt in dieser Stadt“ schrieben die Sondaschüler einen echten Ohrwurm, der nicht so schnell wieder aus meinem Kopf verschwinden wollte.

Über die Jahre hinweg hat sich der Stil der Ruhrpottler immer weiter verfeinert und weiterentwickelt. Die Texte strotzen vor Spitzfindigkeit und Humor, regen aber zum Teil auch zum Nachdenken an. Oft muss erst zwischen den Zeilen gelesen werden, um zu bemerken, dass die spaßig klingenden Songs oftmals harsche Kritik ausübten.

Jetzt ist wieder Sommer, wieder sitze ich mit Freunden im Park, wieder schallt ein Sondaschule-Lied aus dem Radio. Nur diesmal anders, kein typischer Ska-Punk – Nein, eher groovt ein entspannter Beat locker lässig vor sich hin. Was ich da hören durfte, war die erste Auskopplung des neuen Sondaschule-Albums „Schere-Stein-Papier“. Passend zu dem relaxten Sound ist auch der Name des Songs, „Amsterdam“. Das Lied versteht sich als Hommage an die Stadt, in der sich Costa und seine Band vielleicht die eine oder andere Inspiration im Coffee-Shop geholt haben. Das erklärt wiederum den starken Reggae-Einfluss des Songs. Die Werbung zu dem zweiten Sondaschule-Song löste eine regelrechte Diskussion in den sozialen Medien aus. Vor allem über Facebook und Twitter verbreitete sich (zumeist durch rechtspopulistische Gruppierungen) ein Foto, welches angeblich den aktuellen Aldi Nord Prospekt zeigt. Darauf zusehen: Angebote von Schlagstöcken, kugelsicheren Westen bis hin zu Schulungen zum kleinen Waffenschein… – Kann das echt sein? Na klar, denn zum Glück gibt es ab Donnerstag den „Waffenschein bei Aldi“

Chapeau liebe Sondaschule, das nenne ich mal einen gut platzierten Marketing-Gag und eine super Promo für die zweite Single-Auskopplung! Mit gewohnt zackigem Ska-Beat untersetzt, spielt der Song mit den Ängsten der Bevölkerung vor Überfremdung, Terror sowie Gewalt und rücktetliche gesellschaftliche Floskeln in ein neues Licht. Der Song soll so manch bürgerliches Idyll wiederspiegeln und kritisch hinterfragen. Mit einem Augenzwinkern kann ich beruhigt sagen, dass sich über diesen Mix aus Spaß und Gesellschaftskritik sicherlich nicht nur die Waffen-Lobbyisten oder „Sachsen-Mandy“ freuen können. Beide Singles bilden einen super und humorvollen Einstieg in das siebte Werk von Sondaschule. Alles immer schöööön einfach, ohne groß um den heißen Brei herumzureden. Damit auch die Damen und Herren aus der „anderen“ SONDERSCHULE die Message dahinter verstehen.

Besondere Zeiten erfordern eben auch besondere Maßnahmen. Mehr denn je positioniert sich Sondaschule zu den politischen Gegebenheiten der heutigen Gesellschaft. Bereits mit dem „Schön Kaputt“ Album hat sich angedeutet, dass sich die Band musikalisch dem Mainstream geöffnet hat. Auf „Schere – Stein – Papier“ wurde der Anteil an Spaß-Ska-Punk ein wenig reduziert und die Kanten zu dem Vorgängeralbum wurden noch ein bisschen mehr geglättet. Was nicht heißen soll, dass die Musik in die Kategorie „Punkrock à la Toten Hosen / Die Ärzte“ einzuordnen ist – ganz im Gegenteil. Als Hörer wird man auf eine musikalische Reise zwischen rhythmischen Ska-Punk und melancholischen Reggae Beats entführt. Dabei werden mit einem sarkastisch, humorvollen Unterton verdrängte Erinnerungen und zwischenmenschliche Entscheidungen verarbeitet. Aber auch mit brandaktuellen Fragen, die niemand ignorieren sollte, setzt sich die Band kritisch auseinander.

„Komm, wir bauen wieder Zäune an Grenzen und wer uns hier nicht passt der fliegt raus! Da können alle dann schreien was sie denken – Auf der anderen Seite des Zauns. Also lass doch die Heime ruhig brennen, komm wir spenden eine Runde Applaus. Vielleicht fahren die dann endlich wieder nach Haus – Auf die andere Seite des Zauns“
(Sondaschule – Ostberlin)

 
 
Die Jungs um Sänger Costa Cannabis haben es verstanden, die Musik als Transportmittel für ein Statement gegen die wachsende Fremdenfeindlichkeit in der Gesellschaft zu nutzen. Eine unmissverständliche politische Stellung von der Band, die vor knapp 18 Jahren noch sehnsüchtig von ihrer „Double Lucky Pizza“- gefüllt mit extra viel Cannabis – philosophiert hatte. Man merkt, dass die Band langsam erwachsen wird. Nichtsdestotrotz bleibt der Charme und das Charakteristische der Sondaschule auch auf der neusten Kreation aufrechterhalten. Über die musikalische Weiterbildung bzw. die klangliche Fortsetzung des Vorgängeralbums kann jeder denken, was er möchte, die Musik und das Album machen Spaß. Trotz aller sozialkritischen Äußerungen, trotz so manch nachdenklichem Song, „Schere – Stein – Papier“ verbreitet eine Menge Lebensfreude und mit Sicherheit wird die Repeat Taste das ein oder andere Mal gedrückt.

Eines lässt sich auf jeden Fall sagen – In einer Zeit, in der es in der Musik fast gar nicht mehr auf die Musik, sondern die Darstellung bestimmter Ideale ankommt, es ist es sehr erfrischend, einfach nochmal unverschnörkelte Musik von sympathischen Menschen zu hören.