„Jetzt gibt’s richtig auf die Fresse, gekuschelt wird woanders!“ Berliner Weisse sind zurück und holen mit „High Five“ zu einem mordsmäßigen Rundumschlag aus, der einen am Schluss der knapp 55 Minuten mit einem ziemlich blöden, aber auch nachdenklichen Grinsen zurück lässt! Um es vielleicht gleich vorweg zu nehmen: ich bin mal wieder völlig aus dem Häuschen!
Klammert man mal das Split-Album mit den grandiosen Gumbles aus („Oi-Vision Songcontest“), dann liegt die letzte BW Scheibe satte 7 Jahre zurück. Ganz schön lange für eine Band die so viel kann. Die Scheibe haut einen richtig immensen Druck aus den Boxen, die Produktion ist super sauber und passt irgendwie einfach wie die Faust auf’s Auge. In diesem Zusammenhang sogar ziemlich wörtlich. Was auffällt ist als erstes die in meinen Augen krass gesteigerte musikalische Qualität, wenn man es so nennen will.
Die Riffs sind fies eindringlich und man hat schon nach dem ersten Durchhören Ohrwürmer, so groß wie Linienbusse. Die Berliner zeigen einmal mehr, dass sie neben äußert sympathischen Gewalze, wie z.B. direkt beim Opener „Die Messer sind gewetzt“, auch diversen neuen Ideen gegenüber offen sind, wie z.B. (und man mag mich hier gerne korrigieren falls ich mich da verhört habe) den Einsatz von Ukulele oder Cello. Besonders schön für mich ist dabei die extrem gelungene Hommage an ihre Kollegen von den Broilers bei „ekalrekak“. Das sind Sachen die einfach Laune machen!
Apropos Laune: das bringt mich zu dem, was BW für mich so genial macht, nämlich den Texten. Und die sind auf „High Five“ eine echte Hausnummer. Auf der einen Seite stehen Songs, die einfach Bock auf Party machen und beim Leben genießen vielleicht sogar dazu verleiten mögen sich auch mal wieder richtig schön gehen zu lassen. Selbstredend darf da auch der, für die Jungs typische Humor, nicht fehlen und somit wird auch mal vor Selbstironie triefend über eigenartige Gerüche in der Intimgegend gegrölt. Besonders „Radehackendicht“ hat, in meinen Augen, das Potenzial ein, im positiven Sinne, richtig penetranter Evergreen zu werden.
Auf der anderen Seite steht der anfangs
schon erwähnte Rundumschlag. Ins
Gesicht. Mit ‘nem Stuhl.
Dabei zeigen Berliner Weisse, dass Musiker auch nur Menschen sind und durchaus vom Alltag und den Idioten die einen manches Mal umgeben, angekotzt sind. Zugegeben die Idee anderen Menschen einen „High Five“ mit einem Klappstuhl zu geben, ist vielleicht nicht gerade die feine englische Art, aber es gibt einfach diese Tage (oder Leute) an denen man sowas durchaus in Erwägung ziehen könnte!
Neben Alltagsproblemen thematisieren die Jungs auch weit tief sitzendere Probleme wie bspw. Religiösen Fanatismus, profitgeleitenden Massenmord an Tieren und die Verrohung der Gesellschaft. Besonders Rassisten und andere menschenverachtende Arschlöcher, aber auch die Politik, bekommen dabei ihr Fett weg. Ein Beispiel gefällig? „Reaktionäre Menschenfeinde finden häufig Akzeptanz, aus Mitleid oder Desinteresse, aus naiver, falscher Toleranz. Schwulenfeinde und Rassisten werden plötzlich protegiert […]“ oder „Indem ihr diesen Schweinen huldigt, macht ihr euch auch ihrer Taten schuldig!“ Klare Worte (hier aus: „Arschloch bleibt Arschloch“) und astrein abgelieferte Statements, mögen vielleicht nicht jedermanns Geschmack sein, gehören aber meiner Meinung nach zu ordentlichem (Oi!) Punk einfach dazu. Und wenn sie dann noch so auf den Punkt gebracht werden wie auf „High Five“, ist es noch viel besser!
Dabei machen die Berliner auch mehr als deutlich, was man der ganzen „Ich bin ja kein Nazi, aber …“-Fraktion eigentlich nimmermüde immer wieder ins Gesicht brüllen sollte: „[…] bei Stammtischparolen und braunem Gezeter, gibt’s die Quittung nur Sekunden später! Die Welt ist voll von Besserwissern, da liegt die Antwort doch auf der Hand. Zeig den verbalen Mittelfinger und setz damit ihre Gesichtszüge in Brand! – Halt dein Maul!“ Wenn ich sowas höre, dann weitet sich mein Herz – frei nach Helge Schneider – zu einem saftigen Steak und ich krieg Bock auf kaltes Bier! Für mich haben Berliner Weisse mit ihrem neuen Werk die Messlatte für 2016 ziemlich hoch gelegt, was bodenständigen Punkrock angeht. Klares „High Five“ dafür. Ohne Stuhl. Vielleicht auch nicht ins Gesicht.
Ben